Ökozid am Nigerdelta - Bericht von P. Donatus

Ökozid im Nigerdelta – Flucht und Migration als Folge westlicher Rohstoffpolitik

 

(Vortrag von Peter Donatus am 8. Juni 2018 in Erding)
1995 wurde der Journalist und Schriftsteller Ken Saro-Wiwa trotz weltweiter Proteste durch die nigerianische Militärdiktatur hingerichtet, weil er für die Rechte des Ogoni-Volkes eingetreten war. Auch Peter Donatus, der in Nigeria Agrarwissenschaft studierte und sich der Studentenbewegung gegen die Diktatur anschloss, wurde im Staatssicherheitsgefängnis, dessen Beschreibung die zahlreichen Zuhörer im evangelischen Gemeindezentrum in der Dr.-Henkel-Straße mehr als schaudern lässt, gefoltert, studierte nach seiner Flucht vor ca. 30 Jahren in Deutschland politische Wissenschaft, lebt in Köln und berichtet als Menschen-rechtsaktivist und Publizist weiter über eine der größten Umweltkatastrophen weltweit: die Zerstörung der Lebensgrundlagen der Ogoni im Nigerdelta durch die Missachtung von Vorsichtsmaßnahmen durch internationale Ölgesellschaften.
Nigeria, ehemals britische Kolonie, umfasst ca. 250 Ethnien und über 400 Sprachen. Früher lebte das Land von der Agrarwirtschaft, war Exporteur von Palmöl, Erdnüssen und Kakao. Heute mache das Öl 86 % der Staatseinnahmen aus. Im Nigerdelta, einst fruchtbares Gebiet und drittgrößtes Wasserreservoir Afrikas, ereigneten sich in den letzten fünfzig Jahren über 8000 Ölunfälle. Altersschwache Pipelines durchziehen Wohngebiete, giftige Gase und stark kontaminiertes Grundwasser bedrohen hochgradig die Gesundheit der Bewohner, das Trinkwasser ist knapp.
Die Folgen seien zerstörte Ökosysteme, dadurch das Beitragen zum globalen Klimawandel, zerstörte Lebensgrundlagen und kulturelle Identitäten, ethnische Konflikte, Korruption und Schattenwirtschaft, Arbeits- und Perspektivlosigkeit, Massenflucht, Migration. Wenn heute von „Wirtschaftsflüchtlingen“ die Rede sei (80 % der nigerianischen Migranten stammen laut Donatus aus dem Nigerdelta), so müssten auch die Täter benannt werden. In einem Krieg kenne man den Aggressor, bei diesem „Ökozid“ sei es die unsichtbare kapitalistische Machtordnung, so zitiert er Polly Higgins, eine britische Juristin und Umweltaktivistin, die sich dafür einsetzt, Ökozid als fünftes Verbrechen gegen den Frieden einstufen zu lassen (neben Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression).
Donatus stellt der Rohstoffförderung zur Profitmaximierung und Sicherung und Ausweitung des Wohlstandes der westlichen Welt den Raub der Lebensgrundlage und der kulturellen Identität der Ogoni gegenüber und beschreibt das Verhältnis zwischen Europa und Afrika als von kolonialer Kontinuität geprägt: So forderte die „Deutsche Kolonialgesellschaft“ 1928 die Rückgewinnung der im Ersten Weltkrieg verlorenen Kolonien, um im „menschenleeren Raum“ Afrikas mehr Raum für die wachsende deutsche Bevölkerung zu haben. Im Zweiten Weltkrieg wurde mehr als eine Million westafrikanischer Soldaten durch Frankreich, Großbritannien, Italien oder Belgien zwangsrekrutiert. Die Monokultur wurde in der Landwirtschaft eingeführt, um die Erträge zu steigern, wodurch die traditionelle Agrarwirtschaft zerstört wurde.
Heute dezimieren vor der westafrikanischen Küste Trawler großer Konzerne die Fisch-bestände. Weitere große Probleme bereiten der Uranabbau, der große Gebiete verstrahle, die Kinderarbeit beim Schürfen nach seltenen Erden in dunklen Minen, das Landgrabbing großer Konzerne für den Ackerbau. Dennoch wirkt Donatus nicht verbittert. Er wünscht sich einen fairen Umgang und Handel von Europa mit Afrika – unter Beachtung der hier gültigen Sicherheitsstandards durch die beteiligten Firmen.
Dieser Vortrag wurde vom Weltladenverein Erding in Kooperation mit dem KBW, der evangelischen Kirchengemeinde, BAGS e.V., Fairtrade Stadt Erding und dem Eine Welt Netzwerk Bayern e.V. organisiert und sollte in thematischem, wenn auch kritischem Zusammenhang mit dem Tag der Mobilität am 10. Juni stehen – sozusagen die negative Seite
unserer schönen und so selbstverständlichen Mobilität beleuchten.

Petra Scheibe 

Zurück